- Abrutschende Ölstrecke zieht Polymere nach
- Margenverluste auf breiter Front
- Starke Kaufzurückhaltung lässt Lager anschwellen
- Juni-Abfahrt: Ausblick zeigt weiter nach unten
Absehbar war es angesichts der exorbitanten Preissteigerungen im ersten Quartal des Jahres schon, aber wieder einmal wurden die Teilnehmer des europäischen Marktes für Standard-Thermoplaste im Mai 2012 durch die sich rasant verstärkende Abwärtsdynamik der fälligen Talfahrt überrascht. Noch sehr zaghaft hatten die Kontraktnotierungen für die Olefine auf die ersten Absacker von Öl und Naphtha Ende April reagiert. Ethylen (C2) wurde im Mai um 20 EUR/t tiefer als im April fixiert, Propylen sogar nur um 15 EUR/t. Die Rolloverbekundungen der Polyolefin-Produzenten wurden schnell als taktisch entlarvt. Schon in den ersten Tagen des Mai mussten die Kostensenkungen bei PE und PP weiter gereicht werden.
Spätestens ab Mitte des Monats setzten die Ölpreise ihre Abwärtsdrift fort, und mit ihnen glitten weltweit auch die Preise für die petrochemischen Vorprodukte zügig die Rutsche hinunter. Wie üblich traten in der Folge viele Verarbeiter in Erwartung fallender Preise noch stärker als zuvor schon auf die Beschaffungsbremse. Trotz aller vorsichtigen Planung pumpten alsdann die Produktionsanlagen die Polymere in die immer stickiger werdende Luft der Lager.
Letztlich mussten Polyethylene dem mangelnden Abfluss mit Abschlägen von bis zu 70 EUR/t Tribut zollen, Polypropylen kam mit 50 EUR/t in der Spitze etwas glimpflicher davon. Auch die PVC-Anbieter mussten sich von ihren Anhebungsträumen verabschieden, mehr als ein recht schwacher Rollover sprang aus allen Bemühungen nicht heraus. Ebenfalls sahen sich die PS- und EPS-Produzenten mit Margeneinschnitten konfrontiert. Die Kostenerhöhung von fast 50 EUR/t wurde mit Rollover bis maximal 20 EUR/t Anhebungen nur marginal kompensiert. PET musste bei leicht nachgebenden Kosten dem Überangebot bei schwachen Markt mit Nachlässen von im Schnitt 70 EUR/t klaren Margentribut zollen.
Auf breiter Front wuchsen die Lagerbestände bei allen Produzenten an. Einige Sonderverkäufe und mittlerweile sehr tief sitzende Spotpreise deuten klar auf die steigende Platznot der Anbieter hin. In den Endmärkten breitete sich derweil der südeuropäische Eurovirus weiter aus. Auch hier prägt mehr und mehr Zurückhaltung das Bild, wohl nicht nur aufgrund der hohen Preisniveaus. Zu befürchten steht eine weitere weltweite Abkühlung der Konjunktur, die zu heftigen Erkältungen führen könnte.
Wie nicht anders zu erwarten, sind die Preise für Ethylen und Propylen mit Abschlägen von 120 und 125 EUR/t im Juni nun auch von der wachsenden Beschleunigung auf abschüssigem Terrain erfasst worden. Für die Polyolefinanbieter – etwas milder für die PVC-Produzenten – kann es im letzten Q2-Monat wohl nur noch um Schadensbegrenzung gehen. Für die Verarbeiter auf der anderen Seite stellt sich dagegen die wie immer knifflige Frage, ob der Talboden schon in diesem Monat erreicht wird oder ob sich die Schwäche weiter fortsetzt. Trotz der um 73 EUR/t gestiegenen Benzol-Notierung wurde Styrol im Rollover fixiert, PX lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Alle Zeichen deuten auf eine frühsommerliche Rodelpartie für die Standard-Thermoplaste in Europa.