Berlin, 14. Februar 2025

Kunststoffindustrie fordert Stärkung des Rezyklatmarktes

Die Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe in Deutschland hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Das zeigt sich bei dem Rekordwert für das Recycling von Kunststoffverpackungen im Gelben Sack: 2023 lag die Recyclingquote mit knapp 69% erneut deutlich über den gesetzlichen Vorgaben. Auch der Rezyklateinsatz in Kunststoffprodukten steigt kontinuierlich an. Trotz dieser positiven Entwicklung wird die Menge an recycelten Kunststoffen nicht ausreichen, um die bereits beschlossenen und geplanten gesetzlichen Rezyklat-Einsatzquoten zu erfüllen. Hintergrund ist eine aktuelle Untersuchung von Conversio im Auftrag der BKV, wonach der Bedarf an recycelten Kunststoffen in Deutschland das Angebot im Jahr 2030 um 30% übersteigt.

„Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage wird bei Kunststoffrezyklaten in den nächsten Jahren immer größer und stellt die Industrie vor ein fundamentales Problem“, erläutert Dr. Oliver Möllenstädt, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Kunststoff verarbeitenden Industrie (GKV). „Denn ohne geeignete Kunststoffrezyklate lassen sich die gesetzlichen Quoten, z.B. bei Verpackungen oder Automobilen nicht erfüllen“, so Möllenstädt. „Wenn wir die Geschwindigkeit beim Ausbau des Rezyklatangebots in Deutschland von derzeit 3,5% pro Jahr bis 2030 nicht verdoppeln, steuern wir auf eine Rezyklat-Lücke von knapp 1 Million Tonnen zu. EU-weit beträgt die Lücke 3,5 Millionen Tonnen“, erläutert Alexander Kronimus, stellvertretender Hauptgeschäftsführer bei PlasticsEurope Deutschland und weist darauf hin, dass Qualitätsanforderungen an die Rezyklate, z.B. im Lebensmittelkontakt, die Lücke noch vergrößern. Als Grund für den Mangel an Rezyklaten nennen die Verbände die einseitige Fokussierung der Politik auf Verpackungsabfälle, während große Mengen an Kunststoffabfällen im Gewerbe und im Restmüll bislang unbeachtet bleiben und verbrannt werden. „Die bisherigen Investitionen in den Ausbau von Sortier- und Recyclinginfrastruktur reichen bei Weitem nicht. Wir müssen aus dem bisherigen Silo-Denken ausbrechen und die Herausforderungen sektorübergreifend angehen. Alle Stellschrauben müssen auf das Ziel der Kreislaufwirtschaft ausgerichtet werden“, fordert Thorsten Kühmann, Geschäftsführer des Fachverbands Kunststoff- und Gummimaschinen im VDMA. Die aktuelle BKV-Studie „Status quo und Prognose des Bedarfs und der Verfügbarkeit von Post-Consumer-Rezyklaten im Jahr 2030“, durchgeführt von Conversio, belegt die Bedeutung der Verpackungen für die Kreislaufwirtschaft: 80% aller Kunststoff-Rezyklate stammen aus dem Verpackungsmarkt, woran sich der Studie zufolge bis 2030 nur wenig ändern wird. Allerdings werden auch 2030 mehr als die Hälfte (55%) der recycelten Verpackungskunststoffe in anderen Sektoren benötigt, insbesondere im Bau- und Automobilbereich.

Gemeinsam fordern die Verbände der deutschen Kunststoffindustrie von der neuen EU-Kommission und der nächsten Bundesregierung Maßnahmen zur Stärkung des Rezyklatangebots: Zum einen müsse die Menge an Kunststoffabfällen, die für das Recycling gesammelt werden, deutlich erhöht werden, z.B. durch eine Getrenntsammlung bei den Gewerbeabfällen, Hausmüllabfällen und im öffentlichen Bereich. Wie die Studie zeigt, werden in Deutschland von 5,6 Millionen Tonnen Kunststoffabfällen nur 3,2 Millionen Tonnen für das Recycling erfasst. Erst jüngst hatte eine andere BKV-Studie gezeigt, dass in gemischten Gewerbeabfällen und Bauabfällen ein ungenutztes Potential von etwa einer Million Tonnen Kunststoffabfällen schlummert. Zum anderen müssten die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden: Konkret fordern die Verbände von der neuen EU-Kommission, zügig weitere sichere Recyclingverfahren für den Einsatz im Lebensmittelbereich zuzulassen, damit außer recyceltem PET auch andere Kunststoffrezyklate z.B. in Lebensmittelverpackungen eingesetzt werden können.

Rufen nach protektionistischen Maßnahmen erteilen die Verbände eine Absage, fordern aber gleichzeitig eine bessere Überwachung von Importen. Wer den Eindruck erweckt, die EU könne das Ziel der Kreislaufwirtschaft durch Abschottung vom Rest der Welt erreichen, sei auf dem Holzweg. Tatsächlich sei die EU bezogen auf die Tonnage heute bereits Netto-Importeur von Neu-Kunststoffen und auch der Import von recycelten Kunststoffen spiele – angesichts der Rezyklat-Lücke – eine immer größere Rolle. Auch für den Verkauf von Kunststoffprodukten spiele der Weltmarkt eine entscheidende Rolle. Einig sind sich die Verbände darin, dass der Import von Rezyklaten, die nicht den europäischen Vorgaben entsprechen, gestoppt und dazu die Marktüberwachung ausgebaut werden muss. Die bereits in der EU-Verpackungsverordnung vorgesehene Pflicht zur Zertifizierung von importierten Rezyklaten durch einen unabhängigen Dritten wird als Schritt in die richtige Richtung bewertet.


Die Studie ist bestellbar unter: Link

Der GKV ist die Spitzenorganisation der deutschen Kunststoff verarbeitenden Industrie. Als Dachverband bündelt und vertritt er die gemeinsamen Interessen seiner Trägerverbände und agiert dabei als Sprachrohr gegenüber Politik und Öffentlichkeit.

Die Kunststoff verarbeitende Industrie ist mit einem Jahresumsatz von 72,5 Mrd. € und 319.264 Beschäftigten in 2.997 Betrieben einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland.

Die vorwiegend mittelständisch geprägte Branche zeichnet sich durch hohe Innovationskraft und eine vielfältige Produktpalette aus. Kunststoffe werden zu Verpackungen, Baubedarfsartikeln, technischen Teilen, Halbzeugen, Konsumwaren und vielen anderen Produkten verarbeitet.

Pressekontakt

Ansprechpartner:
Dr. Alexander Kronimus
Stellvertretender Hauptgeschäftsführer
PlasticsEurope Deutschland
+49 (69) 2556 1309
E-Mail: alexander.kronimus@plasticseurope.de

Dr. Oliver Möllenstädt
Hauptgeschäftsführer
Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie (GKV)
+ 49 (30) 3971 2230
E-Mail: o.moellenstaedt@gkv.de

Thorsten Kühmann
Geschäftsführer
VDMA Fachverband Kunststoff- und Gummimaschinen
+49 (69) 6603 1831
E-Mail: thorsten.kuehmann@vdma.org